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Aus dem Archiv: Als das Mainzer Rad verschwand
Heiligenstadt im Eichsfeld
Veröffentlicht von Thomas Schuster in Eichsfeld · Samstag 24 Feb 2024
Tags: DasEndedesMainzerKurfürstentums
„Nach dem Sturz der Jakobinerherrschaft durch die französische Großbourgeoisie im Jahre 1794 versuchte diese, die Grenzen Frankreichs bis zum Rhein auszuweiten. Im Jahre 1795 wurden die linksrheinischen Gebiete des damaligen deutschen Reiches von den französischen Truppen erobert. Das in viele Einzelstaaten zersplitterte Deutschland mit seiner feudalen Rückständigkeit mußte im Frieden von Lunéville 1801 das linke Rheinufer an die Republik Frankreich abtreten. Die deutschen Fürsten, welche Gebiete verloren hatten, sollten für die Verluste entschädigt werden. Das geschah vor allem durch die Aufhebung der geistlichen Fürstentümer in Deutschland und die Übergabe dieser Landesteile an weltliche Herrscher. Diese Umwandlung wird als Säkularisation bezeichnet.

Durch Einzelverhandlungen mit der französischen Republik, wo der mächtige Napoleon als Erster Konsul dem westlichen Europa seinen Willen aufzwang, versuchten die deutschen Staaten, besonders das damalige Preußen, sich einen möglichst großen Gebietsanteil zu sichern. Im Reichsdeputationshauptschluß von 1803 erhielt das Königreich Preußen als Ausgleich für seine linksrheinischen verlorenen Gebiete unter anderem das Eichsfeld, die Stadt Erfurt mit dem umliegenden Gebiet sowie die Reichsstädte Mühlhausen und Nordhausen zugesprochen. Zur Einrichtung der preußischen Herrschaft wurde eine Haupt-Organisations-Kommission in Hildesheim gebildet, ihr unterstanden für die verschiedenen Gebiete Spezial-Organisations-Kommissionen. Das Eichsfeld, Erfurt, Mühlhausen und Nordhausen schloß man zu einem Verwaltungbezirk mit dem Sitz in Heiligenstadt zusammen. Noch vor dem endgültigen Abschluß der Verhandlungen nahm der preußische König von den ihm zugesprochenen Gebieten Besitz.

Die preußischen Truppen rückten am 3. August 1802 in das Eichsfeld ein. In die Hauptstadt des Eichsfeldes Heiligenstadt marschierten 200 preußische Jäger und 100 Mann vom Leibkürassierregiment ein. Ebenso wurden die ehemaligen benachbarten Reichsstädte Nordhausen und Mühlhausen von stärkeren Truppenverbänden besetzt. In der Stadt Worbis bestand die Okkupationsmacht aus einem Unteroffizier und zwei Husaren. In den Städten und Dörfern wurde die Machtübernahme durch ein Besitzergreifungspatent des Königs von Preußen bekanntgegeben.

Das Mainzer Rad, welches jahrhundertelang das Sinnbild der Herrschaft des Mainzer Kurfürsten war, wurde überall entfernt. Dafür brachte man den preußischen Adler an den öffentlichen Gebäuden, wie den Rathäusern und den Amtsstuben, an. Die Archive und Kassen wurden versiegelt. Der letzte Kurfürst von Mainz Joseph von Erthal, ein für seine Zeit liberaler und verantwortungsbewußter Herrscher, erlebte die Okkupation nicht mehr. Er starb acht Tage vor dem Einrücken der preußischen Truppen.

Das Eichsfeld hatte damals über 80.000 Einwohner. Von den drei Städten des Eichsfeldes Heiligenstadt, Duderstadt und Worbis kam nur den beiden ersten größere Bedeutung zu. Duderstadt war mit seinen 4000 Einwohnern die bevölkerungsreichste und wohlhabendste Stadt. Heiligenstadt zählte als Sitz der bisherigen kurmainzischen Verwaltungsbehörden ungefähr 3000 Einwohner. Obwohl der Machtwechsel das Eichsfeld unvorbereitet traf, kam es zu keinen öffentlichen Auseinandersetzungen zwischen den Bürgern und den neuen preußischen Beamten und Soldaten. Die Bevölkerung nahm die Veränderung im Allgemeinen ohne größeres Interesse hin. Sie hatte mit der Gewinnung des Lebensunterhaltes, mit Hungersnöten und Teuerungen in der Vergangenheit genug Sorgen gehabt. In Duderstadt begrüßte ein Teil der Bürger die einrückenden Preußen mit Jubel, denn ein Drittel der Einwohnerschaft war protestantisch geblieben und hatte sich den Bemühungen der Gegenreformation im 16. Jahrhundert erfolgreich widersetzt. Diese Bürger sahen in den Preußen ihre Befreier. Auch der meist protestantische Adel des Eichsfeldes stand dem Regierungswechsel mehr wohlwollend gegenüber.

Die bisherigen mainzischen Verwaltungsbehörden sollten zunächst bestehen bleiben. Bisher hatte der kurmainzische Statthalter in Heiligenstadt die Landstände jedes Jahr einberufen. Zu ihnen gehörten die adligen Besitzer der Rittergüter, die Äbte und Pröpste der Klöster und Stifter, der geistliche Kommissarius als Vertreter der Landpfarrer und die Abgeordneten der Städte. Früher fanden die Beratungen an der Fegebergswarte nördlich von Heiligenstadt, später im Heiligenstädter Rathaus statt. Den Vorsitz führten abwechselnd der Abt von Gerode und der Abt von Reifenstein. Die Aufgabe der Landstände bestand vor allem in der Verabschiedung der Steuern. Unter der preußischen Herrschaft wurden die Stände nun zunächst nicht mehr einberufen, sie traten später nur noch zur Landratswahl zusammen. Die wohlhabenden Klöster Gerode und Reifenstein hob man auf und wandelte sie in staatliche Domänen um. Durch diese Maßnahme versprach man sich von preußischer Seite erhöhte Einnahmen, gleichzeitig wurde durch sie der Primat der bisherigen Landstände entfernt. Dagegen ließ man das arme Franziskanerkloster in Worbis noch bestehen, da es kein eigenes Einkommen hatte, ebenso wurden die Nonnenklöster zunächst noch nicht aufgelöst. Einige der fähigsten mainzischen Beamten wurden in den preußischen Dienst übernommen.

Aber schon 1806 war die preußische Herrschaft nach der Schlacht bei Jena und Auerstädt vorläufig beendet, und das Eichsfeld wurde in das neugebildete Königreich Westfalen eingegliedert.“

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Quelle: Thüringer Tageblatt 1982, Dr. H. Türich – Bild: Die Preußen rückten zum Thüringentag in Heiligenstadt ein - 1997 © Thomas Schuster Heiligenstadt


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